Buch und Regie Ruth Beckermann Bild Nurith Aviv Kameraassistenz Claire Bailly du Bois Ton Josef Aichholzer, Reinhold Kaiser, Heinz Ebner Montage Gertraud Luschützky Textberatung Peter Stastny Mischung Othmar Eichinger Musik Arvo Pärt Produktionsleitung Josef Aichholzer Produktion Filmladen
Berlin 1987
London 1987
New York 1987
Wien 1987
Es sollte auch um das Davor, das Danach, das Rundherum gehen. Deswegen haben wir die Kamera nie gleich abgeschaltet, weil das Interessante ja oft das ist, was nach dem – oberflächlich betrachtet – „Wichtigsten“ passiert.
Bei Die papierene Brücke hatte ich ganze Listen mit Wünschen, was passieren soll. Und dann gehen manche Wünsche in Erfüllung! Das Team ist mit einem Ford Transit und dem riesigen Equipment über Ungarn nach Rumänien gefahren, und in der ersten Einstellung, die wir dort gedreht haben, ist dieser Pferdewagen im Nebel. Das war ein Wunschbild von mir zu diesen Geschichten – und dann taucht es plötzlich auf der Straße vor dir auf: Stopp, stopp, stopp, Kamera herrichten! Wir haben das Stativ auf den Wagen getan, ich weiß nicht mehr wie – aber wenn das Wunschbild kommt, dann darfst du nicht zögern, du musst es nehmen. Was ich nicht mache: Ich schicke keine Aufnahmeleiter voraus, die mir einen Pferdewagen organisieren, das wär mir fad, das ist für mich nicht das Abenteuer des Dokumentarfilms.
Elfriede Jelinek
Was ich toll finde an diesem Film, ist, dass er etwas versucht, was eigentlich nicht möglich ist, nämlich ein individuelles Schicksal darzustellen innerhalb eines Volkes, das eigentlich keines mehr haben dürfte, angesichts dieses Hintergrundes, dieser wahnsinnigen Masse an Toten. Im Grunde kann man über Juden nicht als Individuen sprechen, sofort ist dieser riesige Totenteppich da. Und dieser Film versucht sozusagen, aus diesem Zwang zur Entindividualisierung wieder Einzelschicksale herauszuholen. Ohne Sentimentalität und ohne sie immer als Opfer zu definieren.
Cristina Nord
Der Vater, ein Mann aus Czernowitz, schließt sich der Roten Armee an, der Mutter glückt es, als Teenager nach Palästina zu entkommen, anderen ist das Glück versagt, sie werden in die Konzentrations- und Vernichtungslager verschleppt. In diesem Sinne stellt Die papierene Brücke den Versuch dar, vergangene, von den Verwerfungen des zwanzigsten Jahrhunderts verursachte Bewegungen nachzuzeichnen. Fluchtrouten, Passagen, Orte, die Heimat waren und es längst nicht mehr sind.
So ist der Film eine Rekonstruktion, wenn auch eine, die sich ihrer eigenen Grenzen bewusst ist. Beckermann fahndet nach den letzten Spuren einer untergegangenen Welt, nach den Anteilen der Habsburgermonarchie, die tolerant, multireligiös und multikulturell waren, nach den Relikten jener Bukowina, in der Juden, Rumänen, Ruthenen, Deutsche und andere koexistieren konnten. Dieser Verlust löst noch Jahrzehnte später Phantomschmerzen aus.
Elfriede Jelinek
What I find great about this film is that it attempts the impossible, namely, to depict an individual’s fate within a people which, when confronted with the insane number of dead behind it, really shouldn’t have one anymore. Ultimately, one really can’t speak about Jewish people as individuals; the massive row of dead immediately rears its head. And this film attempts to retrieve out of this compulsion towards deindividualization an individual fate. Without sentimentality and without constantly defining them as a victim.
Cristina Nord
The father, a man from Chernivtsi, joins the Red Army; the mother manages to escape to Palestine. Others are denied such luck and end up deported to concentration- and extermination camps. In this sense, Paper Bridge is the attempt to retrace the movements of those dislocated by the twentieth century. Escape routes, passages, and places that were once home and have long ceased to be.
Thus, the film is a reconstruction, even if it is one that is aware of its own boundaries. Beckermann searches for the last traces of a bygone world, for those aspects of the Habsburg Monarchy that were tolerant, multireligious and multicultural, for the remains of a Bukovina, where Jews, Romanians, Ruthenians, Germans and others could coexist. Even decades later, such a loss still causes phantom pains.