Buch und Regie Ruth Beckermann Bild Nurith Aviv, Ruth Beckermann, Peter Roehsler Ton Christina Kaindl-Hönig Montage Gertraud Luschützky, Dieter Pichler Mischung Hannes Eder Produktion Ruth Beckermann Filmproduktion
Book and direction Ruth Beckermann Cinematography Nurith Aviv, Ruth Beckermann, Peter Roehsler Sound Christina Kaindl-Hönig Editing Gertraud Luschützky, Dieter Pichler Mixing Hannes Eder Production Ruth Beckermann Filmproduktion
Berlin 2001
Paris 2001
Graz 2001
2001
Berlin 2001
Paris 2001
Graz 2001
2001
Es gehört zur Eigenheit vom Kaffeehaus, dass man dort sitzt und sich eben so inszeniert und präsentiert, wie man es für richtig hält, und keiner weiß, wie man wohnt, wie man lebt, mit wem man lebt. Es ist so ein Zwischending zwischen privat und fremd.
Es ging in homemad(e) darum, zu schauen, was Flanieren in Europa, eben in Wien, heißt. Das war für mich interessant, weil ich draufgekommen bin, dass man im Kaffeehaus, wenn man um sich blickt, lauter Sitzende sieht und sich nicht sehr viel bewegt. In Wien ist der Graben der einzige Ort, wo man draußen sitzt und den Leuten beim Spazierengehen zuschaut, also städtisches Leben beobachtet. Ganz anders als im Süden natürlich, aber auch ganz anders als in manch anderen europäischen Ländern. Solche Beobachtungen von gesellschaftlichem Leben interessieren mich.
Ich hab' hier schon als Kind gewohnt. Es war eine Straße, die damals tagsüber noch von den Textilläden belebt war. Es gab in jedem Haus ein bis zwei Textilgeschäfte in der Art wie das von Herrn Doft. Am Abend war die Straße völlig tot. Ich erinnere mich, dass ich mich immer gefürchtet habe, bei Dunkelheit nach Hause zu gehen. Jetzt ist es fast umgekehrt. Im Winter ist eigentlich nur am Abend etwas los, an der Stelle der Textilgeschäfte sind jetzt Lokale.
It is one of the unique qualities of the café: to sit and present yourself in the way you think is right, with no one knowing how you live or with whom. It is an in-between area between the private and the foreign.
In homemad(e) it was about finding out what strolling as a flaneur means today in Europe, in Vienna. It was interesting to me, because I realized that when you’re in a café and looking all around, you see people sitting, but you yourself don’t move very much. In Vienna, the Graben is the only place where you can sit outside and see people walking by, to observe city life. Of course, it’s very different to how it is in southern Europe, but also different to other European countries. These kinds of observations of social life interest me.
I’ve lived here since I was a child. It used to be a busy street during the day due to all the textile shops. In every building there were one or two textile shops of the kind that Herr Doft has. At night the street was totally dead. I remember how I used to be afraid walking home at night. Now things are almost the opposite. During the winter, things are only really happening at night, the textile shops have been replaced by bars.
Bert Rebhandl
Die Rede von einem „Dorf“ in der Stadt meint ja nichts anderes, als dass man (im Idealfall, wie Franz Schuh betont) zuerst einmal in einer überschaubaren Lebenswelt aufgehoben ist, in der ein Satz wie „Was mach’ ma zu Purim?“ ganz normal klingt, während er in Ottakring oder Döbling auch befremdlich erscheinen könnte.
Die Marc-Aurel-Straße mit dem Café Salzgries, mit seinen Zeitungsredaktionen, mit einem persischen Lokal und mit dem Textilgroßhandel von Adi Doft ist ein Mikrokosmos. Ruth Beckermann wohnt in dieser Straße, sie filmt also in diesem Fall das, was ihr täglich unterkommt, wenn sie aus dem Haus geht. (…) Andererseits haben die Leute eine Geschichte: Der Inhaber des persischen Restaurants gehört zu einer Familie, die im vorrevolutionären Iran unter dem Schah Reza Pahlewi eine hervorragende Position einnahm und deswegen ins Exil musste.
Die bedeutendste Figur aber ist der Textilgroßhändler Adolf Doft, dessen Biografie durch die Schoah geprägt ist. Er erzählt, dass seine Mutter von der Gestapo erschossen wurde. Er selbst war auch in den Lagern: „Auschwitz, Flossenbürg, Buchenwald, überall bin ich gewesen.“ Den Tod der Eltern und mehrerer Geschwister kann er „nie akzeptieren und nie verzeihen, nicht einmal Gott“. Andererseits glaubt er an eine ausgleichende Gerechtigkeit: „Die kriegen alles zurück.“ Das ist allerdings eine Frage der Zeit.
Bert Rebhandl
To speak of a “village” within a city means nothing less than that one is (in an ideal case, as Franz Schuh emphasizes) in the care of a sustainable living environment, where a sentence like “What are we doing for Purim?” sounds perfectly normal, whereas in Ottakring or Döbling it would come off as strange.
Marc-Aurel-Street with its Café Salzgries, its newspaper offices, its Persian eatery and Adi Doft’s wholesale textile shop is a microcosm. Ruth Beckermann lives in this street, filming whatever she comes across when leaving the house. (…) On the other hand, these people each have a history: The owner of the Persian restaurant is part of a family that held a prominent position in pre-revolutionary Iran under the Shah Reza Pahlavi, and as result had to go into exile.
The most important character is the textile merchant Adolf Doft, whose life story has been shaped by the Shoah. He tells how his mother was shot by Gestapo. He himself was in the camps: “Auschwitz, Flossenbürg, Buchenwald. I’ve been everywhere.” He can “never accept nor ever forgive, not even God” for the death of his parents and siblings. Yet, he still believes in a retributive justice: “They will get everything back.” That, however, is a matter of time.